TIKTOK-TREND CARBONARA RAMEN

Wenn es in Italien um regionale Spezialitäten geht, sind die Traditionalisten rigoros. Bei der Pasta Carbonara etwa wird darauf bestanden, dass sie mit Guanciale, Eiern, Pecorino Romano und schwarzem Pfeffer zubereitet wird – andere Zutaten, Sahne womöglich, haben nichts zu suchen in dem römischen Paradegericht, von dem viele lange glaubten, dass es irgendwo im Schatten des Kolosseums und naturalmente von einem italienischen Koch erfunden worden sei.

Einfach die Reste des Frühstücks in die Spaghetti gekippt

Als die These von sich reden machte, das beliebte Essen (2023 wurden in Italien 23.000 Kilo Carbonara von Lieferdiensten ausgefahren) sei in Wirklichkeit durch den Kontakt der italienischen Küche mit amerikanischen Vorlieben entstanden, verging vielen Traditionalisten der Appetit. Emigranten hätten nach ihrer Ankunft in der Neuen Welt einfach das zusammengeworfen, was die Läden in New York so hergaben, hieß es. Andere behaupten, amerikanische GIs, die im Zweiten Weltkrieg in Rom stationiert waren, hätten mittags unter ihre Spaghetti schlichtweg die Reste ihres Frühstücks gerührt, also Bacon, Pfeffer, Käse, Ei. So oder so – der Carbonara-Stolz vieler Italiener, deren rechtsgerichtete Gott-Vaterland-Familie-Regierung die Cucina Italiana bei der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe registrieren lassen will, ging angeschlagen aus der Geschichte hervor. Und jetzt scheint wirklich alles verloren zu sein.

Ein Gericht, das Carbonara Ramen heißt und eine Kombination aus der japanischen Nudelsuppe und dem, nun ja, amerikanischsten aller italienischen Pastarezepte ist und deshalb Ramen-Traditionalisten, Carbonara-Hardliner und Nationalisten gleichermaßen ärgern dürfte, hat gerade Tiktok erobert – und danach die Kulinarik-Spalte der „New York Times“. Die Instant-Carbonara-Ramen der südkoreanischen Firma Samyang Food seien so leicht zu kochen wie „abgepackte Makkaroni mit Käse“, sagt die Zeitung gut gelaunt und schwärmt, viele Tiktok-Köche fügten Frühlingszwiebeln, Sesam, Eier, Käse oder, um das ganze „cremiger“ zu machen, einen Schuss Milch hinzu.

Auch der Chefkoch der Pizzeria „Outta Sight“ in San Francisco, in der es, schwört das Netz, die beste Pizza im „New-York-Style“ (cosa?) geben soll, kommt zu Wort. Das Geheimnis des Erfolgs liege in der Vereinfachung: „Nicht jeder hat Guanciale oder Pecorino Romano zu Hause, aber wahrscheinlich Parmigiano, Mayonnaise oder Erdnussbutter, um das Gericht zu verfeinern.“ Spätestens bei diesem Satz dürften einige italienische Leser das Bewusstsein verloren haben.

2024-04-27T14:18:41Z dg43tfdfdgfd