CARBONARA MIT AAL STATT SCHINKEN: UNSER REZEPT DER WOCHE

Der Verzehr von Süßwasserfisch hat in Deutschland eine lange Tradition, insbesondere in den Regionen mit zahlreichen Seen, Flüssen und Teichen wie beispielsweise Berlin und Brandenburg. Während Meeresfisch bei den Deutschen insgesamt beliebter ist, erlebt der Süßwasserfisch in jüngster Zeit eine Renaissance, vor allem in der gehobenen Gastronomie. Regionale Spezialitäten und ein wachsendes Interesse an nachhaltig gefangenem Wassergetier tragen dazu bei, dass Süßwasserfische wieder verstärkt auf die Teller kommen.

Die hiesigen Seen und Flüsse beheimaten eine Vielzahl an Süßwasserfischen. Diese regionale Vielfalt spiegelte sich einst auch in den lokalen Gerichten wider. Besonders bekannt war die ostdeutsche Region für den Fang von Fischarten wie Karpfen, Hecht, Zander, Aal und Wels, die auf unterschiedliche Weise zubereitet werden können. Für Brandenburger ist der Karpfen noch heute ein besonders traditioneller Fisch, der vor allem zu Weihnachten und Neujahr serviert wird. Gebraten, blau oder als Karpfenfilet mit einer knusprigen Panade, die Zubereitungsmöglichkeiten sind vielfältig – doch wissen immer weniger Menschen, wie man die traditionellen Gerichte zubereitet.

Der Zander ist ein Highlight der Region, wird deshalb oft als „König der Brandenburger Seen“ bezeichnet. Er ist besonders wegen seines zarten, grätenarmen Fleisches beliebt und steht gerne in Restaurants auf der Karte. Die traditionelle deutsche Küche hält einige Rezepte für ihn parat, zum Beispiel „Zander Winzerin Art“ mit Speck und Weintrauben auf Sauerkraut und einer Rieslingsoße.

Auch der Hecht, ein typischer Raubfisch der Brandenburger Gewässer, findet gelegentlich seinen Weg auf die Speisekarten, besonders in Form von Hechtklößchen. So populär wie der französische Bistro-Klassiker „Quenelles de brochet à la Lyonnaise“, soufflierte Hechtklöße mit einer Soße aus Flusskrebsen, ist er in Berlin allerdings nicht – was schade ist, hätten wir vor Ort doch alles, was es dazu braucht.

Eine weitere heimische Spezialität ist der Aal, der traditionell geräuchert wird. Er passt nicht nur zu deftigen Bratkartoffeln, sondern besonders gut zu Pumpernickel mit Roter Bete, Sahnemeerrettich und Salat – eine deutlich leichtere Variante. In den kleinen Fischerdörfern rund um die Havel und Spree gibt es zahlreiche Räuchereien, die frischen Aal und andere Fische verarbeiten. Die Betreiber finden aber oft keine Nachfolger mehr, und nicht selten wird das Geschäft nur noch als Nebenerwerb betrieben – es ist also nicht ungerechtfertigt zu fürchten, dass es bald noch weniger Angebot geben wird.

Trotz einiger regionaler Vorlieben für Süßwasserfisch wird in Deutschland insgesamt deutlich mehr Meeresfisch konsumiert. Statistiken zeigen, dass der Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch in Deutschland bei rund 13,4 Kilogramm im Jahr liegt. Meeresfische wie Lachs, Hering, Thunfisch und Seelachs dominieren den Markt, während Süßwasserfische, vor allem aus heimischen Gewässern, hierbei nur einen geringen Anteil ausmachen.

Der geringere Konsum von Süßwasserfisch hat verschiedene Gründe. Einerseits sind Meeresfische oft günstiger und in großen Mengen verfügbar, denn die Infrastruktur ist gigantisch, hoch technologisiert und zudem gut vernetzt mit dem Groß- und Einzelhandel. Andererseits hat der Meeresfisch in den letzten Jahrzehnten durch globale Trends wie die wachsende Nachfrage nach Sushi und anderen internationalen Fischgerichten stark an Popularität gewonnen. Differenziert betrachtet ist die Renaissance der Süßwasserfische also ein Phänomen der gehobenen Gastronomie.

Immerhin erlebt Fisch, besonders aus regionaler und nachhaltiger Produktion, eine steigende Nachfrage, gerade bei Verbrauchern, die Wert auf regionale und saisonale Küche legen – leider jedoch weniger für den Hausgebrauch. Dafür gibt es in Berlin eine wachsende Zahl von Restaurants, die sich auf Fisch spezialisiert haben und dabei zunehmend auf regionale Süßwasserfische setzen. Eines der bekanntesten Restaurants in der Hauptstadt war das Fischers Fritz, das es so nicht mehr gibt und das über viele Jahre hinweg mit seiner exzellenten Fischküche für Aufsehen gesorgt hatte. Hier gab es zwar sowohl Meeres- als auch Süßwasserfische auf der Karte, aber die Zubereitung von Edelfischen aus dem Meer stand letztlich klar im Vordergrund.

Ein anderes Beispiel ist das Restaurant Nobelhart & Schmutzig, welches eng mit lokalen Fischern zusammenarbeitet und immer wieder auf innovative Weise lokalen Fisch in Szene setzt. In der Sternegastronomie also spielt Süßwasserfisch eine ganze Weile schon wieder eine Rolle, denn erfahrene Köche schätzen die Qualität des regionalen Fangs und die Möglichkeit, durch die Verwendung von heimischen Fischarten eine besondere Geschichte zu erzählen – eine Geschichte, die eng mit der Landschaft und Tradition verbunden ist.

Für Ottonormalverbraucher aber haben Süßwasserfische eine in den Hintergrund gerückte Rolle, die Geschichte zum Fisch lassen sie sich lieber im Restaurant erzählen. Daheim soll es unkompliziert sein, und das ist mit fangfrischem Fisch immer so eine Sache. Oft ist er nicht entgrätet oder portioniert. Convenience ist eben doch ein wichtiger Faktor.

Ambitionierten Hobbyköchen kann ich Süßwasserfisch jedoch nur ans Herz legen. Suchen Sie mal online nach Rezepten für die oben genannten Quenelles und probieren Sie sich daran, es lohnt sich. Oder ersetzen Sie bei der nächsten Carbonara mal den italienischen Schinken durch Räucheraal, der harmoniert ganz prächtig mit dem Ei – und mit etwas Dill bekommt das ganze einen wunderbar nordischen Charakter. Frischen Zander können Sie roh marinieren, mit Olivenöl, Limettensaft, frischen Gartenkräutern und etwas dünn gehobelter roter Zwiebel ist er ein Hochgenuss. Geräucherte Fische passen ausgezeichnet zu Gurkensalat mit Knoblauch-Joghurt-Dressing und Frühlingszwiebeln, der Baukasten ist wieder einmal gewaltig.

Mein Rezept für Sie soll heute aber die Räucheraal-Carbonara sein:

Zutaten (für 2 Personen): 200 g geräucherter Aal, entgrätet und in mundgerechte Stücke gebrochen, 300 g Spaghetti, 1 ganzes Ei und 2 Eigelb, 80 g frisch geriebener Parmesan, ca. 2 EL fein gehackter Dill, Pfeffer aus der Mühle

Zubereitung: Den Aal abziehen und das Fleisch zur Seite legen. Die Haut und die Gräten in einem Topf mit etwas Salzwasser bedecken und einmal aufkochen. Sobald das Wasser kocht, ziehen wir den Topf vom Herd und lassen alles einige Minuten ziehen. Danach alles passieren, das Wasser auffangen, denn in dem aromatisierten Wasser kochen wir die Spaghetti.

Während die Pasta dann kocht, verquirlen wir in einer Schüssel die Eier, den Parmesan und den Pfeffer. Den Räucheraal schneiden wir in mundgerechte Stücke.

Sind die Spaghetti al dente, gießen wir sie ab, wobei wir etwas Kochwasser auffangen. Nun die Pasta zusammen mit der Eier-Parmesan-Mischung und dem Räucheraal im noch heißen Kochtopf gut durchschwenken, sodass die Eier durch die Hitze der Pasta leicht andicken und eine cremige Soße entsteht. Wenn es notwendig ist, noch etwas von dem aufgefangenen Kochwasser hinzufügen, um die gewünschte Cremigkeit der Soße zu erreichen. Ganz zum Schluss den gehackten Dill unterheben und dann servieren. Guten Appetit!

Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.

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