SOJA ALS FLEISCHERSATZ: WO DIE FRIKADELLEN WACHSEN

Junglandwirte-Trio um Frederik Clasen aus Blender-Hiddestorf erweitert seine Anbaukonzeption

Soja als Fleischersatz: Wo die Frikadellen wachsen

Reer – Sie schmecken ein bisschen wie Erbsen. Und sehen auch so aus. Frittiert sind sie ein leckerer Snack, in der asiatischen Küche als Edamame weit verbreitet. Doch es handelt sich nicht um Erbsen, sondern um Bohnen. Sojabohnen.

Drei Junglandwirte aus der Region bauen sie nach einer Testphase im vergangenen Jahr in dieser Saison großflächiger an. In wenigen Tagen soll geerntet werden. „Es sieht vielversprechend aus“, sagt Frederik Clasen, Jungbauer aus Hiddestorf.

Im konventionellen Landbau sind Clasen und seine Kollegen Jan Hecht aus Wechold und Merten Stroteich aus Bruchhausen-Vilsen so etwas wie Pioniere im Anbau von Sojabohnen. Denn die Frucht liebt die Wärme und war bislang in norddeutschen Breiten kaum verbreitet. Von Haus aus in Südamerika und Asien beheimatet, wandert die seit Längerem in Süddeutschland kultivierte Pflanze nun aber auch Richtung Norden. Der Klimawandel macht es möglich.

Kennengelernt hat Frederik Clasen die Sojabohne in Bayern beim Studium in Weihenstephan. Der Master of Science Agrar baute sie dann zunächst im heimischen Garten an. Jan Hecht hat sich in seiner Abschlussarbeit zum Landwirtschaftsmeister mit diesem Thema befasst.

In jeder Hülse befinden sich drei Bohnen, eine Pflanze hat etwa 30 bis 40 Hülsen. Pro Hektar rechnen Clasen, Hecht und Stroteich mit rund drei bis vier Tonnen Ertrag, je nach Boden. Je rund zehn Hektar bewirtschaften die Junglandwirte mit Sojabohnen, was etwa fünf bis sieben Prozent ihrer Gesamtanbaufläche ausmacht. Clasen hat auf zwei Feldern in Reer und Hiddestorf Sojabohnen stehen.

Das Feld sieht jetzt vor der Ernte mit dem Mähdrescher ein bisschen aus wie ein Kartoffelacker, nachdem das Kraut eingetrocknet ist. „Vor einer Woche war hier aber noch alles grün“, sagt der 27-jährige Clasen. Die Blätter würden rasch von Regenwürmern & Co. verarbeitet. Das sei sehr gut für die Bodenstruktur.

Doch was passiert mit der Ernte eigentlich? Im vergangenen Jahr wurden die Sojabohnen vorwiegend zu Tierfutter verarbeitet. In diesem Jahr haben die drei Jungbauern aber Verträge mit einem Bad Zwischenahner Lebensmittelhersteller unterzeichnet, der die Erträge in der Zubereitung von Fleischersatzprodukten verwendet. Die Lebensmittelindustrie hat sich längst und das in großem Stil den Trend zu eigen gemacht, dass immer mehr Menschen immer weniger Fleisch verzehren. Soja aus Blender landet in Bad Zwischenahn zum Beispiel in „Hähnchen“-Crispies, „Cordon Bleu“ und Buletten. Auf dem Feld in Reer steht ein Schild mit der Aufschrift „Hier wachsen Frikadellen“. Doch nach dem Geschilderten ist klar, dass hier nicht Petterssons kleiner Kater Findus wie in dem Kinderbuch Köttbullar in der Erde versenkt hat, sondern aus dem Erntegut im weiteren Verarbeitungsprozess tatsächlich vegetarisches Hack gemacht wird.

Laut Jan Hecht (29) spricht der Produzent vor allem die große Zielgruppe der sogenannten Flexitarier an, die sowohl Fleisch essen als sich auch vegetarisch oder vegan ernähren, aber eben mit sinkender Tendenz beim Fleischkonsum. Und wenn die Bad Zwischenahner dank der drei Junglandwirte, zu denen im Norden nur noch ein Kollege aus Ostfriesland kommt, auch noch die Karte Regionalität ausspielen können, weil sie das Soja nicht mehr nur aus Süddeutschland heranschaffen müssen, wird sich das sicher auch nicht schädlich auf den Verkauf auswirken.

Soja-Anbau in Reer: Anteil am Umsatz für Jungbauern noch gering

So flexibel wie die Konsumentinnen und Konsumenten sind die jungen Männer ebenso: Denn Clasen und Hecht machen auch künftig den meisten Umsatz in ihren Betrieben mit konventioneller Schweinehaltung. Stroteich (34) setzt auf Legehennen und Milchvieh.

Auf etwa zwei Prozent des Gesamtumsatzes schätzen sie die Erträge. Das ist nicht besonders viel, aber das Projekt sei auch bei weitem nicht so kostenintensiv wie die Tierhaltung. Zumal die Bohnen auch so gut wie gar nicht gedüngt werden müssen, bilden doch auch Sojabohnen Knöllchenbakterien aus, mit deren Hilfe sie den in der Luft reichlich vorhandenen Stickstoff nutzen können.

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Nach der Ernte werden die gedroschenen Bohnen gegebenenfalls mit Abluft aus der Biogasanlage getrocknet, dann gelagert und erst im Winter nach Bad Zwischenahn gebracht, berichten Clasen und Hecht.

Für 2024 plant das Trio eine Ausweitung der Anbaufläche. Clasen denkt an 20 Hektar statt zehn wie in diesem Jahr. Denn dank der Verträge mit dem Ammerländer Abnehmer kommt bei den Erzeugern am Ende auch ein bisschen was an.

2023-09-21T18:28:57Z dg43tfdfdgfd